New Memories [Privi]

Hunter hatte mittlerweile das Zeitgefühl verloren, wie lang er nun munter war, wie lang er an dem Oberteil saß oder wann er das letzte Mal geblinzelt hatte. Die Freuden der Schlaflosigkeit. Ihm war lediglich bewusst, dass er – wie immer – vor Sonnenaufgang zum dritten Mal aufgewacht war und beschloss, dass es genug war und dementsprechend aufstand und ankleidete. Da sich Hunter nicht für die Ewigkeit in seinem Wagon verkriechen konnte – was er dennoch gern tat, um den Tieren aus den Weg zu gehen – zog er sich bereits das meiste an. Er fühlte sich dabei mal wieder etwas gewagter und zog sich eines seiner kürzlich geschneiderten Kleidung an. Ein dunkelblaues Hemd, das seine Augen unterstrich, enge, aber unglaublich gemütliche Hose und ein perfekt geschneidertes, schwarzes Korsett, mit feinen Muster. Erst kürzlich fertig gestellt und er liebte es. Es endete unterhalb seines Brustkorbes und hatte den schönen Nebeneffekt das es seinen Rücken etwas stützte. Der feine Abschluss waren seine schwarzen Lederhandschuhe, die ihm knapp bis zur Hälfte seines Unterarm reichten und ein paar gemütliche Lederstiefel, die ebenfalls bis zur Hälfte seiner Waden reichten. { Und nein, es war kein echtes Leder. Hunter hatte dank ihnen schon oft genug keine Stimme gehabt, aber er hasste keine Tiere. } Beide Sachen hatte er allerdings noch nicht an, da er bis jetzt noch immer nicht das Bedürfnis hatte raus zu gehen. Selbst wenn Hunter sich an den Anblick gewöhnt hatte, sobald er aus dem Augenwinkel etwas blaues sah, blickte er noch immer zu seiner Hand, die er selbst ja gar nicht mehr als Normal bezeichnen konnte. Aber war nun mal so.
Somit verbrachte er den Großteil seines Wachseins mit Oberteil fertig stellen – es war für Delila, nach ihrem letzten grandiosen Auftritt, sowie seinem letzten bissigen Kommentar, das etwas schroffer raus gekommen war, als gewollt. { War direkt nach seinem Auftritt und Hunter hatte regelrecht gespürt, wie ihm beinahe die Kontrolle entwichen war. Erweckte nicht gerade positive Gefühle. } So vertieft in seinem Tun – und dem Gesang der Natur lauschend – verging die Zeit wie ihm Flug, bis Hunter schließlich mit einem zufriedenen Grinsen das fertige Teil in seinen Händen hielt. Natürlich kontrollierte Hunter wie immer ob es noch irgendwas zu verbessern gab oder ob er irgendwo verkackt hatte, aber wie es schien…war er erfolgreich. Zufrieden damit beschloss der Blauhaarige sein Werk seiner Kollegin zu zeigen und zog sich seine Stiefel an, bevor er den ersten Handschuh überzog. Immer den rechten zuerst, mit dem Spruch „Aus dem Augen, aus dem Sinn.“ im Hinterkopf. Das Klopfen nahm er nur ganz am Rande war, weswegen – bevor er überhaupt ein „Ja.“ von sich geben konnte – er etwas überrascht war, als er auf einmal kräftig von hinten umarmt wurde. Rein Reflexartig zog er sich fast schon zu ruckartig den zweiten Handschuh über. { Wo sich natürlich die Ärmel seines Hemdes verwurstelten. Aber das war richtbar. } „Dir auch einen guten Morgen, Delila.“, murmelte er eine Spur belustigt, tätschelte ihre Hände, die sich um seinen Brustkorb schlangen. „Du kommst sogar zum richtigen Zeitpunkt. Würdest du etwas für mich anprobieren?“ Hunter war sich ziemlich sicher, das es ihr Gefallen würde, aber ihre Meinung zu hören, war doch schöner. Da sich das Oberteil noch in Reichweite befand, musste er auch nicht ihre Umklammerung lösen und hielt das Teil einfach mit ausgestreckten Armen vor sich hin, damit sie um seine Seite lugen und es sich ansehen konnte.


Syndra merkte bereits beim Aufwachen, dass es wieder einer „dieser“ Tage war. Das Verlangen nach Nähe und das Unwohlsein mit der einher kommenden Verwundbarkeit, die sie dann immer spürte. Mit einem Seufzen richtete sich die Blauhaarige auf, starrte für wenige Sekunden einfach ins Nichts, bevor sie sich selbst zurück blinzelte, als sie merkte, wie sehr sie bereits abschwief, obwohl noch nicht mal der Tag begonnen hatte. Sie überlegte danach, was es heute alles zu tun gab. Dadurch das heute mehr ein Ausruhtag war – die nächste Aufführung würde erst in zwei Tagen stattfinden – gab es auch keine Kosten und dementsprechend hatte Syndra ebenfalls einen entspannten Tag vor sich. Würde sie vermutlich mit Lesen und ein bisschen „Trainieren“ verbringen. Trainieren sah bei ihr immer so aus; Sie ging in eine abgelegene Gegend { Wald, letztes Zelt, Mauer etc. Je nachdem wo der Zirkus hielt } und versuchte ihr Maximum an Juwelen zu erweitern. Anschließend würde sie ein paar Steinchen in Vincents Wagon schmuggeln. Auch wenn sie wusste, dass es sich rein gar nichts brachte. Immerhin war sie die Einzige, die Edelsteine hervor bringen konnte und ihr Direktor dementsprechend wusste, wer es immer war. Aber sie war dankbar für das gespielte Unwissen, erleichterte ihr einiges. Unteranderem das ungewohnte Gefühl, dass sich in ihrem Bauch ausbreitete, wenn sich jemand bei ihr bedankte. Natürlich war ihr Klar, dass es sich hierbei um eine Emotion handelte. Aber alles logische Nachdenken und nachlesen, gab ihr kein Verständnis, um was für eine Emotion es sich handelte, weswegen Syndra es doch bevorzugte das Ganze zu umgehen. Nach einem ausgiebigen Strecken der Oberarme schob sie ihre nackten Beine über den Bettrand und beobachtete ihre Zehen kurzzeitig, wie sie zwischen den weichen Fransen ihres Teppich verschwanden und wieder auftauchten. Die Sekunden, in denen sie nur da saß, wurden allerdings nicht verschwendet. Sie überlegte sich nämlich, was sie anziehen sollte. Da sie heute keine Kristalle erstellen „musste“ konnte sie sich etwas freie Wahl lassen und vielleicht endlich mal das neue Kleid tragen, dass ihr Hunter erst letztlich gegeben konnte. Mit diesem Kleid würden wunderschön die neuen schwarzen Handschuhe einher gehen, die sie sich erst kürzlich ergattern konnte. Durch ihre Fähigkeit brauchte Syndra so ziemlich immer Handschuhe, um sich selbst zu schützen, und dementsprechend besaß sie eine große Auswahl von diesen. Und diese fühlten sich so unglaublich geschmeidig an, wie als bestünden sie aus Seide. Was es natürlich nicht war, aber es ließ Syndra lächeln und der Rest war somit unwichtig. Ihr Entscheidung wurde somit gefestigt und sie richtete sich mit fließender Bewegung auf, fischte sich das Kleid aus ihrem Schrank heraus und ließ es über ihren Kopf fallen. Auch dieses Stück war wie immer unglaublich gut gelungen und schmiegte sich an ihren Körper, ohne sie einzuengen. Hunter war ein Genie wenn es um Kleidung ging. Nebenbei beschloss Syndra dem Magier einen Saphir zu hinterlassen. Sie fand, er passte unglaublich gut zu dessen Augen. Abgerundet wurde ihr Outfit mit ein paar schwarzen Sandeln, die sie über ihren Knöcheln hinauf zusammen binden musste mit feinen Schnüren. Schlussendlich – nach einem kurzen Trip zum Bad – verließ sie ihren Wagon mit einem Buch in einer Hand und schlenderte etwas ziellos durch das Gelände. Sie erhaschte noch kurz orange Haare und wie jemand in einen Wagon wieder verschwand, aber das war nicht ihr Hauptaugenmerk. Eher das schattige Baum, in der Nähe von den trainierenden Kollegen. Sie entdeckte auch Jonah – den sie mit einem leisen „Guten Morgen“ begrüßte und einfach hoffte, das er sie hörte – bevor sie sich auf ihre vier Buchstaben fallen ließ und das Buch aufschlug. Es war – in Syndras Manier – kein Roman oder ähnliches, sondern ein Geschichtsbuch. Die Geschichte der Menschen, die ihres Gleichen ja so verabscheute, weshalb auch immer. Vielleicht erfuhr sie in diesem Buch, weshalb dies so war.